Wohnprojekte in Dortmund
Offener Brief vom Verein Buntes Wohnen e.V. Registereintrag: Registergericht: Amtsgericht Dortmund, Registernummer: VR 6904
Dortmund, 4. Februar 2019
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Sierau, sehr geehrter Herr Stüdemann, sehr geehrter Herr Wilde, sehr geehrter Rat der Stadt Dortmund,
in Dortmund gibt es seit vielen Jahren umtriebige und gut miteinander vernetzte Initiativgruppen, die sich mit viel Herzblut für das Thema gemeinschaftliches Wohnen engagieren. Der Verein Buntes Wohnen, Initiator dieses Briefes, gehört auch dazu. Wir alle sind Ansprechpartner*innen für Interessierte, die sich unter anderem bei dem von Buntes Wohnen initiierten monatlichen Netzwerktreffen austauschen können. Zudem stehen wir seit geraumer Zeit im Kontakt mit vielen entscheidenden Stellen der Stadt Dortmund, um unseren Traum vom generationenübergreifenden, für alle offenen, bereichernden Wohnprojekt zu verwirklichen. Warum also wohnen wir noch immer nicht in gemeinschaftlichen Wohnprojekten in dieser Stadt? Warum gibt es in Dortmund so wenige alternative und sozialverträgliche Wohnprojekte wie beispielsweise die im Folgenden dargestellten und existierenden Wohnprojekte in ganz Deutschland?
Gießen. Ein altes Kasernengebäude, 1800 m² Wohnfläche, 4000 m² großes Gartengrundstück, 20 Wohneinheiten, Gemeinschaftsräume. Ein gemeinschaftliches Wohnprojekt[1] mit 46 Bewohnerinnen in zentraler und grüner Lage. Die Miete: 5,30 € kalt.
Hannover. Eine alte Schule wird von einer Wohnprojektinitiative[1] erworben und in bezahlbaren Wohnraum für eine heterogene Mischung an Bewohner*innen verwandelt. Auf über 2800 m² wohnen 72 Menschen für unter 6 €/m².
Freiburg. Trotz hoher Miet- und Immobilienpreise gibt es zahlreiche soziale Wohnprojekte[1], generationenübergreifend, gut angebunden, bezahlbar (Kaltmieten um 6 €). In Vergabeverfahren bekommen regelmäßig Projektinitiativen den Zuschlag, die nicht höchstmögliche Gewinne versprechen, sondern überzeugende soziale Konzepte präsentieren.
»Angebote« von Seiten der Stadt Dortmund an uns gab es immer wieder. Städtische Verwaltungsobjekte wurden abgestoßen, alte Schulgebäude umgenutzt, Neubaugebiete erschlossen. »Interessenbekundungsverfahren« ist für uns kein Fremdwort mehr – wir schrieben Konzepte, schlugen alternative Nutzungen von Gebäuden und kulturelle Aufwertungen von Quartieren vor. Wir planten Wohnungen für Alleinerziehende – auch ohne Wohnberechtigungsschein! – Gemeinschaftsküchen, Kulturcafés, Werkstätten, Kitas, Eltern-Kind-Büros, barrierefreie Wohneinheiten, Gemeinschaftsgärten, Räume für Veranstaltungen und Begegnungen. Wir zeichneten Wohnungsgrundrisse und durchbrachen gedanklich Wände. Was wir nicht vorzuweisen hatten, waren allein Geld und Referenzen. Grundstücke der Stadt Dortmund werden nach Bodenrichtwert verkauft. Das bedeutet für ein großes altes, innenstadtnahes Schulgelände schnell 1.500.000 € - noch ohne Berücksichtigung des Gebäudewertes. Was für einen Investor mit der Absicht, Luxuswohnungen im Hochpreissegment zu errichten, ein kleiner Fisch ist, stellt uns vor unüberwindbare finanzielle Hürden.
Es gibt eine lebhafte Wohnprojekte-Landschaft in Dortmund. Gerade entsteht das achte Projekt unter dem Dach des WIR-Vereins[2]. Diese sehr begrüßenswerte Bewegung ist für viele Menschen aus finanziellen Gründen nicht zugänglich: Es handelt sich in der überwiegenden Mehrheit um Eigentumswohnungen, in nur wenigen Fällen um Mietwohnungen, die sich insbesondere für mehrköpfige Familien nur mit (mehreren) hohen Einkommen bezahlen lassen. Gerade denjenigen, deren Einkommen knapp oberhalb der Grenze zum Wohnberechtigungsschein liegen, bleibt diese Form des gemeinschaftlichen Wohnens verwehrt. Ein Zeichen sozialer Ungerechtigkeit!
Wünscht die Stadt Dortmund keine alternativen Wohnformen? Kann sie uns nicht mit erleichterten Bedingungen (z. B. Vergabe außerhalb von Interessenbekundungsverfahren, Vergaben unterhalb des Bodenrichtwerts, Kollaboration bei der Entwicklung von Bauplänen) entgegenkommen? In welchem Wohnprojekt möchte die Stadt Dortmund die Familie mit drei kleinen Kindern sehen, deren Eltern im sozialen Bereich arbeiten, wo wohnt das Rentnerehepaar, das sich kein Eigentum leisten will, wo die studentische WG, die eine Bereicherung für eine weltoffene Gemeinschaft darstellen könnte, wo die Geflüchteten, die Alleinerziehende mit zwei Kleinkindern, der Alleinstehende, der von Harz IV leben muss? In einer generationenübergreifenden, solidarischen, familiären Gemeinschaft zu leben, darf nicht den Wohlhabenden vorbehalten bleiben!
Wir fordern:
- Die Beschlussvorlage vom 7.2. 2018 zur Vergabe von städtischen Grundstücken muss zeitnah konkretisiert werden: die Bedingungen für die Vergabe von 10 % der Bauflächen an Baugemeinschaften/Wohnprojekte dürfen diese nicht in Randgebiete der Stadt zwingen.
- Die Beschlussvorlage muss auch städtische Gebäude betreffen, nicht nur Bauflächen.
- Zentrale Lagen und gute Verkehrsanbindung müssen auch für Geringverdiener*innen angeboten werden.
- Die Stadt muss bei Prioritätensetzung auf Vergaben an alternative Projektinitiativen die finanziellen Aspekte hintanstellen.
- Stadteigene Gebäude und Grundstücke sollten zu Sonderkonditionen und unabhängig vom Wettbewerb mit Investoren an Projektinitiativen vergeben werden.
- Die Vergabe von geeigneten Grundstücken und Gebäuden muss die Punkte Mietpreisbindung und günstigste Miete als Bedingung berücksichtigen, da damit alternative und sozialverträgliche Wohnformen zum Zuge kommen können.
=> Der Ausverkauf der Stadt muss verhindert werden: Investoren treiben Mietpreise in die Höhe und verhindern das Schaffen bezahlbaren Wohnraums.
Sollten beispielsweise ehemalige Schul- und Verwaltungsgebäude der Stadt zu großzügigen Luxuswohnungen saniert werden - oder kann gerade hier durch Wohnprojektinitiativen dauerhaft günstiger Wohnraum realisiert werden; durch niedrige Mieten über die 20 Jahre hinaus, die für geförderten Wohnraum vorgesehen sind? Verzichten Sie für sozialverträgliche und den Stadtteil belebende Wohnkonzepte auf das »schnelle Geld« von Investoren!
Wir freuen uns über die Möglichkeit eines zeitnahen Gesprächs.
Für Buntes Wohnen e. V.
Maja Surkamp Uwe Holtappel
Vorstand Vorstand
Unterstützer*innen sind:
- W.I.R. e. V. mit ergänzendem Schreiben
- Mieterverein Dortmund und Umgebung e. V. mit ergänzendem Schreiben
- Wohnprojektverein Hand in Hand – gemeinschaftlich wohnen in Dortmund e. V.
Wie Sie uns erreichen:
Buntes Wohnen e. V. c/o Café Aufbruch anders besser leben e.V. Hintere Schildstr. 18 44263 Dortmund
wohnprojekt_do(at)gmx(dot)de
www.buntes-wohnen-dortmund.de
[1] Unsere Beispiele beziehen sich auf Projekte nach dem Modell des Mietshäusersyndikats (www.syndikat.org). Die Immobilien werden von einer von den Mieter*innen gegründeten GmbH erworben und anschließend selbst verwaltet. Bezahlbarer, entprivatisierter Wohnraum und ein gemeinschaftliches Miteinander sind wichtige Eckpfeiler des Konzeptes.
[2] www.wir-dortmund.de Auf gemeinschaftliche Wohnform ausgerichtete Neubauprojekte.